Vorgeschichte

Der Name Deutsche Gesellschaft für Geschichte und Theorie der Biologie (DGGTB) verweist in mehr als einer Hinsicht sowohl auf die jüngste Geschichte, als auch auf die deutsche Tradition, und stellt sich in die Reihe jener deutschen Gesellschaften, die ihren Platz im Orchester der internationalen Gesellschaften gesucht und seit langem gefunden hatten. So liegt ein Vergleich zu der 90 Jahre zuvor gebildeten Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften nahe. Deren Initiator, Karl Sudhoff (1853 – 1938), hatte im Gründungsjahr 1910 geschrieben: “Eine ‘deutsche’ Gesellschaft wollen wir gründen, um die Historiker deutscher Zunge auf unseren Sondergebieten zusammenzufassen, damit sie einen festen Grundstock bilden für die internationale Gesellschaft […]”. Doch war Sudhoff damals auch “gern […] bereit”, das “deutsch in dem Gesellschaftstitel fallen zu lassen und in eine internationale Gesellschaft einzulaufen”, wofür mehrere Mitglieder plädiert hatten. So wie damals die Gründung und Namensgebung aus einer bestimmten historisch gegebenen Situation im Rahmen der Medizin abzuleiten war, so wird die Gründungsgeschichte der 1991 entstandenen Deutschen Gesellschaft für Geschichte und Theorie der Biologie und auch ihr Name erst auf dem Hintergrund der widersprüchlichen deutschen Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg verständlich.

Hatten sich nach dem Kriege zunächst noch deutsche Biologiehistoriker/innen wenigstens auf den Jahrestagungen der 1948 in Westdeutschland wiederbegründeten Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Medizin, Naturwissenschaften und Technik (DGGMNT) begegnen können, so endete die Möglichkeit zur Teilnahme ostdeutscher Kollegen an diesen Versammlungen 1961 mit dem Bau der Berliner Mauer gänzlich. Die Wissenschaftshistoriker in den zwei deutschen Staaten gingen getrennte Wege, die Biologen der DDR waren in der Sektion Theorie und Geschichte der Biologie der Biologischen Gesellschaftder DDR organisiert.

Im Westen wurde Mitte der 70er Jahre auf Vorschlag von Armin Geus (Marburg) und unter seiner weiteren organisatorischen Betreuung, aus dem “Kolloquium zu speziellen Fragen der Biologiegeschichte” in Heidelberg – ursprünglich eine Lehrveranstaltung der Abteilung für Geschichte der Biologie Hans Querners (1921 – 2012) – der Arbeitskreis Biologie-Geschichte gebildet. Damit waren überregionale Zusammenkünfte entstanden, an denen meist etwa 20 Interessierte teilnahmen. Zunächst traf man sich in Heidelberg, dann auch mehrmals in Marburg und in Mainz, wohin Gunter Mann (1924 – 1992) einlud. Einmal war Göttingen, ein anderes Mal Bochum Tagungsort. Durch den Medizinhistoriker Mann erfuhr die Biologiegeschichte seit 1970 eine starke Förderung und erhielt viele Anregungen. Ein wesentlicher Schritt auf dem Wege zur Begründung des Faches Biologiegeschichte war eine Arbeitstagung Geschichte der Biologie in der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel im Oktober 1980.

War damit in Westdeutschland die Möglichkeit zu fachbezogenen Treffen der Biologiehistoriker/innen und der an diesem Gebiet Interessierten seit etwa 1975 gegeben, so hatte ein Versuch in der DDR zunächst zu keinem positiven Ergebnis geführt. Ein Antrag zur Bildung einer speziellen Arbeitsgruppe für Biologiegeschichte im Rahmen der Biologischen Gesellschaft in der DDR Ende der 60er Jahre war wegen zu geringem Interesse der Biologen abgelehnt worden, wie auch die Initiative zur Gründung eines “Museums für Biologiegeschichte” nicht realisiert wurde. Erst 1985 griff der Präsident der Biologischen Gesellschaft, Lothar Kämpfe (Greifswald), einen Vorschlag zur Bildung einer Arbeitsgruppe für “Theorie und Geschichte” im Rahmen dieser Gesellschaft auf, der vom Präsidium vor allem im Hinblick darauf unterstützt wurde, neben den Fachsektionen auch ein Forum für die Diskussion fachübergreifender theoretischer Arbeiten zu gewinnen. Wegen der großen Anzahl von Interessenten wurde daraus bereits Anfang der 1986 eine eigene Sektion mit bald mehr als 100 Mitgliedern, die dann jährlich zwei Tagungen – abwechselnd mit historischen und theoretischen Themen – veranstaltete. Schon im Januar 1987 beteiligte sie sich auf der 13. Generalversammlung mit biologiehistorischen Beiträgen. Bei dieser Versammlung wurde erstmals eine Caspar-Friedrich-Wolff-Medaille verliehen. Den Festvortrag wollte Georg Uschmann halten, er hatte sich mit den Arbeiten des bedeutenden Embryologen seit langem beschäftigt, doch sein Tod am 23. September 1986 vereitelte dieses Vorhaben. Ilse Jahn übernahm die Aufgabe und weiterhin die Vertetung der Biologiegeschichte im Präsidium der “Biologischen Gesellschaft”. Da sie ab 1982 in den Westen reisen konnte und an mehreren dortigen Veranstaltungen teilnahm, war eine – zunächst lose – Verbindung zwischen deren Arbeitsgruppe und dem westdeutschen Arbeitskreis gegeben, die schließlich zur Gründung der gesamtdeutschen Gesellschaft (DGGTB) im Jahre 1991 führte. Die Gründungsversammlung in Jena fand ein europaweites Echo: sie war von 60 Personen besucht und konnte 145 Gründungsmitglieder aufweisen, u.a. aus den Niederlanden, Frankreich, Liechtenstein, Österreich, der Schweiz, der Tschechoslowakei und den USA.