Verhandlungen zur Geschichte und Theorie der Biologie

Kaasch, Joachim; Kaasch, Michael (Hg.)

Biologie und Gesellschaft. Beiträge zur 19. Jahrestagung der DGGTB in Lübeck 2010

(Verhandlungen zur Geschichte und Theorie der Biologie 17)
280 S., 17 x 24 cm
VWB-Verlag, Berlin 2012
ISBN     978 – 3‑86135 – 397‑3
34,00 Euro
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Kenntnisse über Tiere und Pflanzen, ihr Vorkommen und ihre Lebensweise sowie Wissen über die biologischen Grundlagen humaner Lebensprozesse besaßen in allen Zeit- und Gesellschaftsepochen für die Menschen besondere Bedeutung. Eine Vielzahl von Forschern und Forscherinnen trugen dazu bei, dass aus sammelnder, sichtender und ordnender naturgeschichtlicher Botanik und Zoologie eine experimentelle, kausalanalytische Biologie heranwachsen konnte, aus der mittlerweile die vielgestaltigen Biowissenschaften geworden sind. Mit der Biotechnologie greifen sie unmittelbar in Produktionsprozesse ein, in der Biodiversitätsforschung liefern sie einen neuen Zugang zu den bedrohten Lebensgrundlagen des Menschen und seiner Mitwelt. In der Medizin eröffnen Kenntnisse und Methoden aus den Biowissenschaften neue Herangehensweisen für Diagnostik und Therapie, angefangen von Möglichkeiten der Optimierung der menschlichen Reproduktion über die Entschlüsselung des menschlichen Genoms bis hin zur Gen(Genom)diagnostik.

Alle diese Entwicklungen haben dazu geführt, dass die Biowissenschaften in zunehmendem Maße gesellschaftliche Aufmerksamkeit erfahren. Diese gilt nicht nur den vorrangigen Erkenntnisinteressen und Resultaten der Forscherinnen und Forscher, sondern insbesondere den damit verbundenen expliziten und impliziten Versprechungen für neue Kausaltherapien zur Beherrschung wichtiger Krankheiten und für erfolgversprechende veränderte Strategien für wirtschaftliche Prozesse sowie zur Lösung von Umwelt- und Klimaproblemen. Die Gesellschaft verknüpft ihren Blick auf die Biowissenschaften mit großen Erwartungen, sieht aber in deren umfassendem Zugriff auf viele Fragen von gesellschaftlicher Bedeutung auch entscheidende Risiken, die weit über reine Sicherheitsbedenken bei bestimmten Experimenten hinausgehen und allgemeiner bestimmte von der Wissenschaft intendierte Vorgehensweisen und ethische Fragen betreffen.

Der Band beschäftigt sich mit dem Problemkreis “Biologie und Gesellschaft” und richtet dabei einen besonderen Fokus auf die Geschichte der Genetik und Molekularbiologie in ihren vielfältigen Bezügen zur gesellschaftlichen Entwicklung. Diskutiert werden die öffentliche Wahrnehmung der biologischen Erkenntnisinteressen und Forschungsergebnisse sowie des Handelns der Akteure des Forschungsprozesses. Das Spektrum der vorgestellten Untersuchungen reicht von den konkreten Schritten der Aufklärung grundlegender biologischer Prozesse in langjähriger kooperativer Forschungsarbeit über die Analyse der Epigenetik bis hin zur Reflexion von gentechnischen Utopien und Träumen der Konstruktion von Organismen (“Synthetische Biologie”) in der Sicht von Schriftstellern und Künstlern sowie zur kritischen Auseinandersetzung mit den Fragen der Bioethik. Der Band liefert außerdem Beiträge zum Umgang mit umstrittenen Begriffen (wie “Rasse” und “Chimäre”), verfolgt das Medienecho von Forschungsunternehmen und zeichnet Lebensläufe bedeutender Biologen nach.

 


Inhalt

Michael Kaasch und Joachim Kaasch
Vorwort
S. 7 – 10
Ragnar K. Kinzelbach
Verleihung der Caspar-Friedrich-Wolff-Medaille an Prof. Dr. Kärin Nickelsen auf der 19. Jahrestagung der DGGTB in Lübeck am 26. Juni 2010
S. 11 – 12
Kärin Nickelsen
Of Light and Darkness: Modelling Photosynthesis 1840 – 1960
S. 13 – 36
Hansotto Reiber
Komplexität und Selbstorganisation stabiler biologischer Gestalt in Epigenese und Evolution – Von der genozentrischen zur phänozentrischen Biologie
S. 37 – 80
Volker Schurig
“Rasse” – ein evolutionstheoretischer, anthropologischer und taxonomischer oder doch nur ein historischer Wissenschaftsbegriff?
S. 81 – 118
Claudia Hübner
Chancen und Schwierigkeiten beim Vergleich von Genexpressionsmustern im Rahmen phylogenetischer Analysen
S. 119 – 129
Christoph Rehmann-Sutter
Der universalistische Fehlschluss in der transnationalen Bioethik
S. 131 – 145
Michael Kaasch
“Genetik zwischen Furcht und Hoffnung” – Anmerkungen zum Diskurs von Wissenschaftlern mit der Öffentlichkeit
S. 147 – 182
Kirsten Schmidt
Mythologische Mischwesen oder wissenschaftliche Werkzeuge? Chimären in Kunst und Biologie
S. 183 – 199
Klaus Wenig
“Aber mein Freund Nägeli ist Hegelianer”: Der Botaniker Carl von Nägeli im Spannungsfeld zwischen Empirie und Theorie
S. 201 – 212
Ragnar K. Kinzelbach
Maximilian Braun (1850 – 1930) – Parasitologie, Organismik, Geschichte der Zoologie. Doppeljubiläum 2010: *160 Jahre, 80 Jahre
S. 213 – 236
Hauke Bietz
Kenntniserweiterung in die Tiefe: Zur Geschichte der Tiefseeforschung unter besonderer Berücksichtigung der dänischen Forschung
S. 237 – 248
Frank Leimkugel
“Und als der Tau weg war, siehe, da lag es in der Wüste rund und klein wie der Reif auf dem Lande” – Die Sinai-Expedition der Hebräischen Universität von 1927 zur Klärung des Manna-Phänomens
S. 249 – 254
Anne Kerber und Frank Leimkugel
Chinin für Jerusalem! – Der Botaniker Otto Warburg und der Lübecker Arzt Hans Mühsam im Dienst der “Gesellschaft jüdischer Ärzte und Naturwissenschaftler für sanitäre Interessen in Palästina”
S. 255 – 260
Nachrufe und Gedenken der Deutschen Gesellschaft für Geschichte und Theorie der
Biologie
Andreas Wessel
Nachruf: Günter Tembrock und die Wissenschaftsgeschichte
S. 263 – 265
Diether Sperlich und Eve-Marie Engels
Nachruf: Dorothee Früh (24. Februar 1961 – 17. November 2011)
S. 267 – 270
Ragnar K. Kinzelbach
Nachruf: Alfred Wehrmaker (9. September 1929 – 14. April 2010)
S. 271 – 272
PersonenregisterS. 273 – 279