Die Biowissenschaften sind, wie alle Wissenschaften, ihrem Inhalt nach global. In ihrer Realisierung durch Lehre und Forschung werden sie aber durchaus auch von regionalen Besonderheiten und herausragenden Persönlichkeiten an Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen auf lokaler Ebene geprägt. Dieser Band geht diesem Aspekt unter den besonderen Bedingungen nach dem Ende des nationalsozialistischen Regimes in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), von ihren komplizierten Anfängen 1949 bis zu ihrer Endphase 1990, nach. Er entwickelt verschiedene Perspektiven auf biologische Forschungsvorhaben, wissenschaftliche Einrichtungen und Hochschullehrerpersönlichkeiten unter den Begrenzungen eines restriktiven politischen Systems, die immer wieder durch Bekenntnisse zur Internationalität der Wissenschaften und Forderungen nach Beteiligung am globalen Forschungsprozess gebrochen wurden. Die Biowissenschaftler in der DDR bemühten sich, unter schwierigen wirtschaftlichen Umständen sowie Einschränkungen von Reisefreiheit und internationalen Kontakten den Anschluss an die Scientific Community der Welt zu erhalten und ihre Teilnahme am globalen Forschungsgeschehen zu sichern. Dabei spielten – wie dieser Band an eindrucksvollen Beispielen belegt – nicht nur Prägungen durch Schulen und Denkstile sowie wissenschaftliche Erfolge auf Forschungsfeldern, die im internationalen Maßstab eher als Nischen in der Entwicklung der Lebenswissenschaften anzusehen sind, sondern auch politische Einstellungen und ein von Anpassung und Widerstand gekennzeichnetes Verhalten für die Karrieren der Protagonisten eine wichtige Rolle.
Inhalt
Michael Kaasch, Joachim Kaasch & Torsten K. D. Himmel Biologie in der DDR – Vorwort und Einleitung | S. 7 – 10 |
Schwerpunkt: Biologie in der DDR | |
Ekkehard Höxtermann “Wieviel Zufall doch in der Geschichte steckt!” – Zum Profil der Biologie an den Universitäten der DDR | S. 11 – 35 |
Lothar Kämpfe Zwischen Diktatur und Eigenverantwortung – Die Greifswalder Biologie von 1945 bis 1990 | S. 37 – 53 |
Johanna Schlüter Der Gustav Fischer Verlag Jena in der DDR | S. 55 – 64 |
Klaus Wenig Zwischen den Fronten: Meeresbiologische Forschungen von DDR-Biologen an der Zoologischen Station Neapel | S. 65 – 87 |
Michael Kaasch & Joachim Kaasch Sichten auf eine Geschichte der Biowissenschaften in der DDR. “… es hängt wesentlich von den Wissenschaftlern selbst ab, wenn die Wissenschaft zu einer solchen zweitrangigen Angelegenheit in unserem Staate geworden ist” (K. Mothes an K. Lohmann 1964) | S. 89 – 118 |
Rudolf Hagemann Die Entwicklung der Genetik in der DDR (im Vergleich mit der Alt-BRD und West-Berlin) | S. 119 – 144 |
Ekkehard Höxtermann „Verschleiertes Glück“ – Erinnerungen an Heinrich Dathe zum 25. Todestag | S. 145 – 169 |
Lebrecht Jeschke Zwei Diakästen aus dem Nachlass von Professor Robert Bauch (1897 – 1957). Ein Rückblick auf die Naturschutzgeschichte Ostdeutschlands | S. 171 – 178 |
Henry Witt Werner Rothmaler (1908 – 1962) | S. 179 – 187 |
Hansotto Reiber Wissenschaft und Gesellschaft in der DDR und BRD. Ein Vergleich mit Beispielen aus der Biologie und Medizin | S. 189 – 213 |
Karl Porges Evolution und Schule in der SBZ/DDR | S. 215 – 242 |
Freie Vorträge | |
Michael Morkramer Das Heilige Jahr 1875 und der Lippstädter Bürgerverein | S. 243 – 250 |
Katharina Schmidt-Loske Die Reisebeschreibungen und Tagebücher Hermann Müllers – eine Übersicht | S. 251 – 256 |
Ragnar K. Kinzelbach Johann Friedrich Leu (1808 – 1882): Kürschner, Präparator, Ornithologe, Vogelmaler | S. 257 – 266 |
Hans-Jörg Wilke Der Gorilla im Blick der Tiermaler. Ein Beitrag zur populären Tierillustration in Deutschland | S. 267 – 286 |
Martin Battran Lamarck, Kammerer und Lyssenko im Licht epigenetischer Vererbungssysteme | S. 287 – 319 |
Christian Reiss Biologiegeschichte zwischen Tier- und Umweltgeschichte: Der mexikanische Axolotl als historischer Akteur | S. 321 –340 |
Michael Schmitt Laudatio für Christian Reiß zur Verleihung der Caspar-Friedrich-Wolff-Medaille | S. 341 – 242 |
Nachrufe und Gedenken der Deutschen Gesellschaft für Geschichte und Theorie der Biologie | |
Adelheid Heitmann Nachruf: Christoph Heitmann (*10. Juni 1929 – †25. Oktober 2015) | S. 345 – 346 |
Klaus Wenig Nachruf: Vitĕzslav Orel (*29. Mai 1926 – †13. August 2015) | S. 347 – 349 |
Michael Schmitt Nachruf: Michael Türkay (*3. April 1948 – †9. September 2015) | S. 351 – 353 |
Personenregister | S. 355 – 366 |