Charles Darwin veröffentlichte seine Evolutionstheorien zuerst im Jahre 1859. Zustimmung und vehemente Ablehnung wechselten sich in den Reaktionen sowohl der Wissenschaftlergemeinschaft als auch in der breiten Öffentlichkeit ab: Kaum jemand blieb in den folgenden Jahrzehnten unberührt vom “Kampf um den Entwicklungsgedanken” (Ernst Haeckel).
Dabei wetteiferten zahlreiche alternative Vorstellungen, die zu tief greifenden Modifikationen an Darwins ursprünglichem Theoriengebäude führten. In den Vierzigerjahren unseres Jahrhunderts wurde eine erste Synthese der wichtigsten Teilgebiete der Evolutionsforschung erreicht, die sich allerdings gerade in Deutschland nicht gleich durchsetzte. Auch in den letzten Jahrzehnten kam es zu weiteren wichtigen Differenzierungen.
Der vorliegende Band zeigt, wie seit der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts die Diskussion biologischer Theorien unauflöslich mit höchst unterschiedlichen soziopolitischen Entwicklungen auf der Nordhalbkugel der Erde zwischen Nordamerika und Sibirien verbunden war, wobei das Verhältnis der Wissenschaftspraxis zur Staatsräson in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts von bitterem, letztlich erfolglosem Widerstand (Sowjetunion) bis zu vorauseilendem Gehorsam (Deutschland) variierte.
Die gegenwärtige Machbarkeitsdebatte bezüglich biotechnischer Modifikationen der Menschheit beweist, daß die Geschichte des Darwinismus nichts von ihrer Aktualität eingebüßt hat.
Inhalt
Vorwort | S. 7 – 8 |
Rainer Brömer, Uwe Hoßfeld und Nicolaas A. Rupke Einleitung | S. 9 – 18 |
Eve-Marie Engels Charles Darwin in der deutschen Zeitschriftenliteratur des 19. Jahrhunderts – Ein Forschungsbericht | S. 19 – 58 |
Nicolaas A. Rupke Zu einer Taxonomie der Darwin-Literatur nach ideologischen Merkmalen | S. 59 – 68 |
Erika Krauße Pithecanthropus erectus DUBOIS (1891) in Evolutionsbiologie und Kunst | S. 69 – 88 |
Hermann Manitz Frühe Stammbaumdarstellungen in der Botanik | S. 89 – 104 |
Mathias Gutmann und Michael Weingarten Gibt es eine Darwinsche Theorie? Überlegungen zur Rekonstruktion von Theorie-Typen | S. 105 – 130 |
Gabriel Finkelstein Kultur-Evolution bei Emil du Bois-Reymond | S. 131 – 136 |
Richard H. Beyler Evolution als Problem für Quantenphysiker | S. 137 – 160 |
Helga Satzinger Die blauäugige Drosophila – Ordnung, Zufall und Politik als Faktoren der Evolutionstheorie bei Cecile und Oskar Vogt und Elena und Nikolaj Timoféeff-Ressovsky am Kaiser-Wilhelm-Institut für Hirnforschung Berlin 1925 – 1945 | S. 161 – 196 |
Eduard I. Kolchinsky Ausgewählte Aspekte der Modernen Synthese im russischen Sprachraum zwischen 1920 und 1940 | S. 197 – 210 |
Eduard I. Kolchinsky Kurzbiographien einiger Begründer der Evolutionssynthese in Rußland | S. 211 – 230 |
Thomas Junker und Uwe Hoßfeld Synthetische Thorie und ‘Deutsche Biologie’: Einführender Essay | S. 231 – 248 |
Uwe Hoßfeld Staatsbiologie, Rassenkunde und Moderne Synthese in Deutschland während der NS-Zeit | S. 249 – 306 |
Thomas Junker Synthetische Theorie, Eugenik und NS-Biologie | S. 307 – 360 |
Wolf-Ernst Reif Deutschsprachige Evolutions-Diskussion im Darwin-Jahr 1959 | S. 361 – 396 |
Englische Zusammenfassungen | S. 397 – 403 |
Hinweise zu den Autorinnen und Autoren | S. 404 – 410 |
Namensregister | S. 411 |