Das Thema der Jahrestagung 2009 der Deutschen Gesellschaft für Geschichte und Theorie der Biologie lautete „Das Werden des Lebendigen“ – eine sehr weit gefasste Einladung zum Nachdenken über Biologiegeschichte. Es war ein „Darwin-Jahr“, konnte man doch den 200. Geburtstag von Charles Robert Darwin (1809 – 1882), des Vaters der Evolutionstheorie, begehen und den 150. Jahrestag der Erstveröffentlichung seines epochalen Hauptwerkes On the Origin of Species feiern. Doch zwei weitere bedeutende Jubiläen standen 2009 an: der 200. Jahrestag der Publikation der Philosophie zoologique (Paris 1809) von Jean-Baptiste de Lamarck (1744 – 1829) und der 250. Jahrestag des Erscheinens der Dissertation von Caspar Friedrich Wolff (1734 – 1794) Theoria generationis (Halle/Saale 1759), mit der Wolff zum Mitbegründer der Embryologie und Entwicklungsgeschichte wurde. Mit den Gedenktagen zu Darwin, Lamarck und Wolff und den daraus ableitbaren biologiehistorischen Implikationen ist auch gut das Koordinatensystem für das Thema „Das Werden des Lebendigen“ umrissen. Neben Texten zur erstmaligen Vergabe der Caspar-Friedrich-Wolff-Medaille an eine Nachwuchswissenschaftlerin und dem öffentlichen Vortrag zu den Sternstunden der Verhaltensevolution von dem bekannten Ethologen Irenäus Eibl-Eibesfeldt enthält der Band Beiträge über den „verkannten“ Lamarck, den jungen Darwin als Ornithologen, das Forschungsprogramm und den schwierigen Lebensweg des russisch-sowjetischen Biologen und Mitbegründers der Synthetischen Theorie der Evolution Nikolaj Vladimirovich Timoféeff-Ressovsky (1900 – 1981) sowie den Einfluss des Nobelpreisträgers Max Delbrück (1906 – 1981) auf die Genetik in der DDR. Außerdem wird berichtet über die Geschichte der Epigenetik, über einen Gegenentwurf zum Darwinismus des Jenenser Professors für Mathematik und Physik Karl Snell (1806 – 1886), über evolutionstheoretische Alternativen zum Sozialdarwinismus, die Verortung von biologistischen Weltanschauungen sowie die sich in den Pflanzendarstellungen spiegelnden Grundüberzeugungen der Morphologen Wilhelm Troll (1897 – 1978) und Theo Eckardt (1910 – 1977).
Gastgeber der Tagung 2009 in Halle war die traditionsreiche, 1652 gegründete Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina, die 2008 zur Nationalen Akademie der Wissenschaften Deutschlands ernannt worden war. Ein Beitrag zeichnet deren wechselvolles Schicksal von der einstigen Reichsakademie zur Nationalakademie nach.
Inhalt
Michael Kaasch und Joachim Kaasch Vorwort | S. 7 – 10 |
Klaus Peter Sauer Verleihung der Caspar-Friedrich-Wolff-Medaille | S. 11 – 12 |
Katharina Ruttig Dankesrede anlässlich der Verleihung der Caspar-Friedrich-Wolff-Medaille 2009 | S. 13 – 14 |
Katharina Ruttig Gottfried Dietrich Wilhelm Berthold (1804 – 1937) – ein Beitrag zur Geschichte der Biologie an der Georgia Augusta Göttingen | S. 15 – 27 |
Irenäus Eibl-Eibesfeldt Sternstunden der Verhaltensevolution | S. 29 – 51 |
Rudolf Hagemann Genetik und Epigenetik | S. 53 – 70 |
Wolfgang Lefèvre Der verkannte Lamarck | S. 71 – 83 |
Frank D. Steinheimer Charles Darwins nomenklatorischer Trick zum Erkenntnisgewinn: Die Ornithologie der Beagle-Reise | S. 85 – 94 |
Rolf Löther Evolutionstheoretische Alternativen zum Sozialdarwinismus | S. 95 – 102 |
Michael Brestowsky Weltanschauung zwischen Wahn und Wissenschaft. Wissenschaftstheoretische Reflexionen zur Rolle weltanschaulicher Positionen in den Bio-Wissen-schaften | S. 103 – 113 |
Arne von Kraft Die Entwicklungstheorie von Karl Snell (1806 – 1886), ein ideeller Gegenentwurf zum Darwinismus | S. 115 – 122 |
Dieter Mollenhauer Indoktrination oder Information? – Abbildungsgestaltung bei den Pflanzenmorphologen Wilhelm Troll und Theo Eckardt | S. 123 – 142 |
Georgy S. Levit und Uwe Hossfeld Nikolaj Vladimirovich Timoféeff-Ressovsky (1900 – 1981) zwischen Deutschland und der UdSSR: Hat er ein einheitliches Forschungsprogramm entwickelt oder war er ein Spielzeug der totalitären Supermächte? | S. 143 – 168 |
Erhard Geissler „No West German translation for political and technical reasons …“ – Erinnerungen an Max Delbrücks Einfluss auf die DDR-Genetik | S. 169 – 186 |
Anhang I: Delbrück, Max: Vorläufige Niederschrift über das Thema: „Riddle of Life“ (Berlin, August 1937) | S. 187 – 189 |
Anhang II: Delbrück, Max: Vorwort [zu: Desoxyribonucleinsäure – Schlüssel des Lebens] | S. 190 – 191 |
Anhang III: Delbrück, Max: Ein Physiker betrachtet erneut die Biologie – zwanzig Jahre später | S. 192 – 197 |
Anhang IV: Delbrück, Max: Geleitwort zur deutschen Ausgabe [von: Phagen und die Entwicklung der Molekularbiologie] | S. 198 – 201 |
Michael Kaasch und Joachim Kaasch Die Leopoldina – Von der Reichsakademie zur Nationalakademie | S. 203 – 246 |
Nachrufe und Gedenken der Deutschen Gesellschaft für Geschichte und Theorie der Biologie | |
Ekkehard Höxtermann Ilse Jahn − Ein Gedenkblatt | S. 249 – 256 |
Ulrich Kutschera Erinnerungen an den Freiburger Evolutionsbiologen Günther Osche (1926−2009) | S. 257 – 263 |
Rainer Schoch, Thomas Junker und Uwe Hoßfeld Obituary. Wolf-Ernst Reif (*27. 6. 1940 – †11. 6. 2009) | S. 265 – 267 |
The Scientific Publications by Wolf-Ernst Reif | S. 268 – 279 |
Hoßfeld, Uwe Nachruf. Prof. Dr. rer. nat. habil. Dr. med. h. c. Hubert Walter (*14. April 1930 – † 6. Dezember 2008) | S. 281 – 284 |
Schriftenverzeichnis (ohne Rezensionen) | S. 285 – 299 |
Aufstellung der unter seiner Anleitung angefertigten Dissertationen, Diplomarbeiten und Staatsexamensarbeiten | S. 300 – 307 |
Personenregister | S. 309 |